Die letzten Tage bis zur Klinik – Teil 2

Lesezeit: 4 Minuten

Fortsetzung von Teil 1

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Vorbereitung (m)einer mehrwöchigen Abwesenheit

Wenn ich mich nicht im Packfieber befand, organisierte ich noch einige Dinge. Die Wichtigsten waren für mich:
- die Erstellung einer Patientenverfügung und
- eine Postvollmacht,
so dass Rainer mich vollumfänglich in meiner
Abwesenheit unterstützen konnte.

Immer wieder schaffte ich, schafften wir, Raum für Entschleunigung, für Sein, für Einander fühlen, für Genuss. Ich zauberte leckere Gerichte, wir fuhren an unsere Lieblingsorte, wir saugten das 'Hier und Jetzt' mit allen Sinnen auf. So lange hatte ich, hatten wir, auf diesen Abschnitt gewartet. Endlich ging es los. Endlich. Das einhergehende Gefühl übermannte, betäubte in einem Moment, während es in einem anderen wieder unbändig antrieb.

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Der letzte Abend

Der Abend des 16. Juli war da, gefühlt kam er in Überschallgeschwindigkeit. Die Minuten zerfloßen wie Butter in der Mittagssonne, die Uhr tickte in meinen Gedanken leise, aber stetig.
Tick, tack, tick, tack. Wir genossen unseren letzten Abend vor dem neuen und unbekannten Kapitel "psychosomatische Klinik" mit unserer Lieblingsserie und allerlei Leckereien.


Bei der Abendhygiene ließ ich mir extra lange Zeit, wollte ich doch nicht, dass dieser Abend endete. Rainer gab mir einen liebevollen Gute-Nacht-Kuss und übersannte mir aus seinen schokobraunen Augen alle Zuversicht, die er bündeln konnte. We've got this!

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Die Nacht war eher unruhig, zu viele Gedanken durchfloßen mich. Und doch fand ich ein paar Stunden Schlaf, gebettet in tiefer Dankbarkeit für mein Zuhause, dass mir Geborgenheit schenkte und das Abenteuer, was mir bevorstand.


Der Kalender schrieb den 17. Juli 2019...

Pünktlich um 6:00 Uhr klingelte der Wecker. Die letzten 60 Minuten waren angebrochen. Ich genoss es, mich im Bad zu richten, die letzten Dinge in meinen Koffer zu packen, an meinen Kraftorten in der Wohnung inne zu halten. An Frühstück war an diesem Morgen nicht zu denken, dafür war die Aufregung zu groß. Um 7:05 Uhr ein letzter Atemzug, bevor wir das Auto starteten und langsam den kleinen Anstieg aus der Tiefgarage heraus auf die Straße erklommen.
Das Gepäck war verstaut.
Es ging los.

Mit jedem weiteren Kilometer wurde ich ein wenig stiller, nachdenklicher, trauriger. Tief in mir brodelte noch immer die Vorfreude, doch während der Autofahrt waren Traurigkeit, Magengrummeln und Ängstlichkeit die dominierenden Gefühle.
Nach 45 langen Minuten hatten wir das Ziel erreicht.


Ich atmete - seit Fahrtantritt - zum ersten Mal wieder tief ein, als wir an diesem frühen Sommermorgen aus dem Auto stiegen und meine Sachen entluden. Jepp, nun war es soweit. 

Kein Zurück.
Die Aufnahme um 8:30 Uhr rückte immer näher.
LESETIPP

Artikel in Heft Nr. 45 der 'Psychologie Heute compact'

Dies ist ein Link zum Inhaltsverzeichnis der Ausgabe. Diese ist sicherlich in einer Bibliothek oder per Online-Order erhältlich. Aus Gründen von Copyright und Respekt habe ich mich entschieden, den Artikel nicht direkt zugänglich zu machen.

Persönliche Leseempfehlung:

Der Artikel 'Burnout ist eine Kompetenz" von Gunter Schmidt hat viel in mir bewegt. In meinem Denken, meiner Selbstwahrnehmung, der Aktzeptanz meiner Erkrankung.

Mentale Selbstheilung Klinikaufenthalt Von Außen nach Innen Bewußtsein Einkehr Reflektion Ehrlichkeit Hinschauen Phönix Auferstehen Neugeburt Heilung

Kein Zurück

Mein Herz pochte wild, schlug hinauf bis zum Hals, als ich um Punkt halb neun das Sekretariat betrat. Rainer wartete draußen im Flur auf mich, passte auf mein Gepäck auf, und ich konnte mir damals nur wage vorstellen, welches Poutpouri an Gefühlen ihn in diesem Moment einholten. Die Kälte des Flurs, das Unbekannte, Fragen über Fragen ... das leise Zu-sich-sprechen, der leise Reminder, (allem) zu vertrauen.

Die bürokratischen Aspekte waren nach ca. 15 Minuten abgearbeitet. Eine Unterschrift jedoch wird mir stets im Kopf bleiben - mein Kürzel unter dem Behandlungsvertrag mit der Klinik. Der Atem stockt mir erneut beim Schreiben dieser Worte.
Ich werde rasch verabschiedet und folge der Anweisung, mich im Hauptgebäude auf die Station der psychosomatischen Klinik zu begeben.

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Der letzte Gang

Den letzten Gang ins Hauptgebäude beschritten wir gemeinsam. Hand in Hand, soweit es mit Gepäck und zeitweiser Orientierungsprobleme möglich war. Langsam, fast in Zeitlupe, und überwältigt von all den Emotionen und Eindrücken der neuen Umgebung. Nach einer gefühlten Ewigkeit kommen wir in der dritten Etage an.
Die Pflegeschwester(n) erwartet mich bereits.

Die herzliche Begrüßung von Frau M. brennt sich auf direkten Weg in mein Herz. Es fühlt sich an, wie wenn sie einen Zauberknopf betätigt und meine Anspannung wie ein schwerer Mantel von mir abfällt. Ich war angekommen.

Nur wenige Minuten später war es soweit - ich verabschiedete mich von Rainer. Die Augen mit Tränen gefüllt fühlte ich noch einmal seine feste Umarmung, seine Wärme, seine Liebe und tiefe Anerkennung für meine Entscheidung. Den Mut für Veränderung, für Wachstum, teilen wir. Ich spürte im Moment der Verabschiedung, dass alles genau so ist, wie es sein soll. Ich war am Ziel. Angekommen in einem neuen Kapitel.

Mit langsamen Schritten entfernte sich Rainer. Ich genoß jede Sekunde, konservierte sie in der Tiefe meines Herzens.
Nun war ich auf mich alleine gestellt.
Stetig mit dem Leuchtturm am Horizont vor meinem inneren Auge.

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